Die Diesel Queen ist ein Mercedes des Typs LP 1113, also ein Elftonner mit 130 PS. Die knapp zehn Meter lange Aluminium-Karosserie samt integriertem Stahlblech-Fahrerhaus stammt von Ackermann aus Wuppertal. Seine Erstzulassung erhielt das Fahrzeug im Jahr 1966 als Auslieferungsfahrzeug Nr.12 der hessischen Büromöbelfabrik König & Neurath. Mit passendem Anhänger leistete es seinen Dienst fast 12 Jahre lang. Die letzte Fahrt mit Möbelladung ging 1977 zur Niederlassung in Berlin, wo dann die Übergabe an den dort ansässigen Grafik-Designer Steve St.Schmidt stattfand. Der hatte den formschönen Lastwagen, damals bereits eine Rarität, ein Jahr zuvor auf einer Raststätte entdeckt und abgelichtet (Foto). Er sprach mit dem Fahrer, telefonierte mit dessen Chef und erwarb schließlich das Fahrzeug, allerdings ohne Anhänger.
Zwei Jahre lang dauerte der Umbau zum Wohnmobil. Zunächst erhielt der Berliner Fahrzeugbauer Wingert den Auftrag, einige grundlegende Änderungen vorzunehmen. So wurde das Fahrgestell hinter den rückwärtigen Federaugen abgetrennt und mit einer etwa 40 Zentimeter tiefen Stufe versehen, wodurch im hinteren Fahrzeugbereich ein Plateau auf Höhe der unteren Aufbaukante entstand. Statt der beiden Flügeltüren baute man rückwärtig eine Rampe ein (mit Flaschenzug zu betätigen). Außerdem erhielt der Aufbau mehrere Fenster, Dachluken und rechtsseitig eine große, waagerecht geteilte Tür mit innen liegender Einstiegswanne. Zudem wurde die Tankkapazität von 400 auf 800 Liter erhöht. Danach folgte der aufwendige Innenausbau, den Steve St.Schmidt mit seiner Partnerin Berta Casademont in Eigenregie vornahm. Handwerkliches Geschick und manche Freunde halfen dabei.
Über dem geräumigen Fahrerhaus entstand ein großes Bett, links dahinter im unteren Bereich das so genannte Gästezimmer und mittig die mit traditionellen spanischen Keramikfliesen ausgekleidete Nasszelle samt Dusche sowie rechts der Einstiegsbereich. Oberhalb des Gästezimmers kann man an einem großem Schreibtisch sitzen, den das Dach des "Badezimmers" bildet. In der Mitte ist ein Wohnraum mit Küche untergebracht. In diesem Bereich ist der Ausbau einstöckig und hat etwa drei Meter Innenhöhe.
Hinten befindet sich die von innen zugängliche Garage und darüber das Kinderzimmer mit Bett, Regalen und einem kleinen Schreibtisch. Die Garage ist so bemessen, dass ein Fiat 126 genau hinein passt. Der Kleinwagen wird von hinten eingefahren und mit Spannvorrichtungen gesichert. Außerdem ist dort Platz für Werkzeugregale, eine kleine Werkbank und einen Schrank mit Ersatzteilen etc.
Nach erfolgtem Umbau fand die erste große Fahrt im Sommer 1979 statt. In der Zeit danach wurden viele kleine und große Reisen unternommen und Jahrzehnte sind vergangen. Aus jungen Leuten wurden ältere und aus dem Kind ein Mann in den besten Jahren. Die Queen hat als Wohnmobil inzwischen nahezu eine halbe Million Kilometer zurückgelegt, ohne nennenswerte Störungen. Allerdings musste schon Anfang der Achtziger der Rumpfmotor ausgetauscht werden und dreimal erfolgte eine Restaurierung der Außenhaut inklusive Austausch mancher Bleche, auch der Frontpartie. Um 1995 erhielt sie einen verchromten Kühlergrill, der nach einem Entwurf von Steve St.Schmidt durch einen befreundeten Kunstschmied individuell angefertigt wurde, wobei die "Zähne" aus unterschiedlich gekürzten Käfer-Stoßstangenhörnern bestehen.
Der Name des Fahrzeugs ist eine eigene Wortschöpfung. Der damalige Scania-Slogan "King of the Road" hatte Steve St.Schmidt gut gefallen und er dachte sich, dass auch Schiffe weibliche Namen tragen. So ergab sich der Name "Diesel Queen" fast von selbst. Dazu entwarf er ein Logo, das an alte Speditionsembleme erinnert, die nicht selten geflügelte Räder darstellten. Unter dem Namen "Edition Diesel Queen" gründete Steve St.Schmidt später einen Verlag, der ausschließlich auf Nutzfahrzeug-Literatur spezialisiert war und ebenfalls das bewährte Logo erhielt. 1992 entstand die Zeitschrift "Last&Kraft", die sich großer Beliebtheit erfreute, bis sie nach sieben Jahren an einen anderen Verlag veräußert wurde.
Seit einigen Jahren arbeitet Steve St.Schmidt mit seiner Partnerin und Freunden an einem neuen Projekt, der Website truckinfocus.com Im Sommer 2024 war es dann soweit und die Seite ging online. Damit teilt Steve nicht nur sein enorm umfangreiches Nutzfahrzeugarchiv nach und nach mit der Öffentlichkeit, er hat auch ein vielseitiges Online-Medium zur Geschichte und Gegenwart des Straßentransports geschaffen, das seinesgleichen sucht. Ein Klick auf den Link lohnt sich.
Die Diesel Queen ist inzwischen mehr als 55 Jahre alt. Wenn sie auch das einzige automobile Sammelstück ihrer Besitzer ist, befindet sie sich doch seit 44 Jahren in Sammlerhand, und damit weit länger als die meisten anderen Lkw-Oldtimer. Möge das gute Stück noch viele Jahre weiter leben!
© Steve St.Schmidt, Berlin